J. Griesbach: Polis und Porträt

Cover
Titel
Polis und Porträt. Standbilder als Medien öffentlicher Repräsentation im hellenistischen Osten


Herausgeber
Greisbach, Jochen
Reihe
Studien zur antiken Stadt 13
Erschienen
Wiesbaden 2014: Reichert Verlag
Anzahl Seiten
192 S.
Preis
URL
von
Matthias Grawehr

Ehreninschriften und Ehrenstatuen waren die Währung, mit der die griechischen Städte Verdienste um ihre Gemeinwesen entlöhnten. Wer ein Ehrenmal an möglichst prominenter Stelle zugesprochen bekam, durfte hoffen, seinen Zeitgenossen und der Nachwelt dauerhaft in Erinnerung zu bleiben.

Für die seit einiger Zeit zunehmend kulturhistorisch interessierte Klassische Archäologie stellt diese Denkmalgattung einen unermesslichen Schatz dar. Hier lassen sich nicht nur Wertvorstellungen vergangener Gesellschaften in Wort und Bild ablesen, die räumliche Verteilung der Ehrenbezeugungen auf den städtischen Plätzen, in Heiligtümern und in öffentlichen wie privaten Gebäuden verrät darüber hinaus viel über atmosphärische Wertigkeiten von Raum und über Bewegungsmuster im Raum. Da die in grosser Zahl überlieferten Denkmäler lange Zeit recht stiefmütterlich behandelt wurden und ihre Auswertung meist aufwendige Voruntersuchungen bedingt, ist es nur folgerichtig, dass sich in der vergangenen Dekade eine ganze Reihe von Forschern um die Erarbeitung des Bestandes bemüht hat. Die von Jochen Griesbach organisierte und vom 4. bis 6. Dezember 2009 in München abgehaltene Tagung «Polis und Porträt» hatte zum Ziel, die meist jungen Forschenden zu vernetzen und Aspekte ihrer Einzelstudien in einem Sammelband leicht zugänglich zu machen. Die nun endlich vorliegenden Akten bieten einen griffigen Einstieg in die Thematik und eine Gesamtschau auf die zahlreichen Facetten der aktuellen Forschung auf dem betreffenden Gebiet.

Von den 14 Beiträgen des Kolloquiums sind zwölf in den Band eingegangen, zwei weitere — jene von Ralf von den Hoff und von Caroline Rödel — wurden an anderer Stelle veröffentlicht. Die Artikel sind in vier Sektionen eingeteilt; vorangestellt ist eine Einführung des Herausgebers, in der Bildnisstatuen als Kommunikationsmittel in der hellenistischen Polis definitorisch und entwicklungsgeschichtlich vorgestellt werden.

Unter dem Stichwort «Räume für Ehre und Selbstdarstellung» figurieren in der ersten Sektion fünf Beiträge, die neu aufgearbeitete Befunde aus verschiedenen Altgrabungen vorstellen: Frédéric Herbin, dessen bislang unpublizierte Dissertation zu diesem Thema 2010 in Paris angenommen wurde, widmet sich den Votiv- und Ehrenstatuen im Apollonheiligtum auf Delos zwischen 314 und 69 v.Chr. Sein Beitrag bietet eine Übersicht zur typologischen Entwicklung der Statuenbasen und zu ihrer topografischen Verteilung. Christina Leypold greift einen Teilbereich ihres laufenden Zürcher Habilitationsprojekts zu den Statuenbasen in Olympia heraus, nämlich die Bildnisreihe vor der Echohalle. Anhand der Laufhorizonte erarbeitet sie eine ungefähre chronologische Abfolge der 28 Basen zwischen ca. 340 v.Chr. und der augusteischen Zeit. Marianne Mathys berichtet aus ihrer 2010 abgeschlossenen Freiburger Dissertation (2014 erschienen unter dem Titel «Architekturstiftungen und Ehrenstatuen. Untersuchungen zur visuellen Repräsentation der Oberschicht im späthellenistischen und kaiserzeitlichen Pergamon») über die Ehrenstatuen im Heiligtum der Stadtgöttin Athena in Pergamon. Die Autorin ist in der glücklichen Lage, in erster Linie auf erhaltene und beschriftete Basen zurückgreifen zu können; sie schöpft die hier zur Verfügung stehenden reichen Informationen mustergültig aus. Ähnlich pointiert und aussagekräftig sind die Studien von Monika Trümper zur sog. Italiker-Agora auf Delos und zu den teilweise von Athen inspirierten Praktiken auf der Agora der nordgriechischen Stadt Thasos von Guillaume Biard, der 2012 seine umfassendere, bislang unpublizierte Dissertation mit dem Titel «Être et paraître: les modalités de la représentation honorifique dans les cités grecques des origines à la fin de l’époque hellénistique» in Paris abgeschlossen hat.

In der Sektion «Private vs. öffentliche Denkmäler» sind drei Beiträge versammelt. Bereits 2013 erschien die Untersuchung von John Ma «Statues and cities. Honorific portraits and civic identity in the hellenistic world», aus der er hier ein Kapitel zur Aufstellung von Bildnisstatuen im öffentlichen Raum durch Private zusammenfasst, das in dieser Version allerdings etwas allzu verkürzt wirkt. Jochen Griesbach, der 2011 mit einer Schrift. Zur Topographie antiker Ehrenstatuen im hellenistischen Osten» in München habilitiert wurde, thematisiert in seinem eigenen Beitrag die Interreferenzialität von Bildnisstatuen im privaten und öffentlichen Raum. Die hier skizzierte in hellenistischer Zeit zunehmende Öffentlichkeit des privaten Ambientes, bricht der Selbstdarstellung in den eigenen vier Wänden für die nachfolgenden Jahrhunderte die Bahn. Die Sektion rundet ein Blick von Katja Sporn auf die eher seltene Aufstellung von Privatbildnissen in Tempeln ab.

Im einzigen Beitrag zum Thema «Kommunikation sozialer Rollenbilder » berichtet Ingrid Laube über Bildnisse von Strategen. Diese kommen vermehrt in den Bündnisheiligtümern oder in militärisch potenten Gemeinwesen vor und sind oftmals gepanzert; Bildtyp und Tätigkeit des Geehrten sind jedoch keineswegs immer kongruent. Die abschliessende Sektion widmet sich den «Porträts als Medien der Erinnerungskultur». Ralf Krumeich zeigt anhand der Ehrungen für römische Magistrate auf der Athener Akropolis, aus seinen langjährigen Forschungen hierzu schöpfend, wie dort durch eine konservative Formenwahl auf die traditionelle Bedeutung des Ortes verwiesen wurde. Während ferner beispielsweise Cicero sich geradezu angewidert über die auch in Athen weitverbreitete Praxis äusserte, alte Bildnisstatuen für neue Ehrungen wiederzuverwenden, zeigt Krumeich anhand einiger verblüffender Beispiele, wie bei der Umwidmung bisweilen nicht nur darauf geachtet wurde, den Namen des ursprünglich Geehrten zu memorieren, sondern wie die Neuen etwaige Nennungen der längst verstorbenen, aber berühmten Bildhauer «ihrer» Bildnisstatuen offensichtlich durchaus stolz auf der Basis beliessen. Sprechend sind die von Marco Galli thematisierten Skulpturen aus dem sog. Vereinshaus der Ärzte in Velia, durch die sich ein Kultverein seine eigene Geschichte zu konstruieren scheint.

Der leider etwas flüchtig redaktionell aufbereitete Tagungsband verweist also auf ine grössere Anzahl umfangreicher neuer Forschungsarbeiten und ist gerade dadurch ausgesprochen anregend. Er macht Lust darauf, tiefer in die scheinbar undurchdringbaren Statuenwälder antiker Städte und Heiligtümer einzudringen, um dort statt lauter einzelner und zusammenhangloser Bildnisse durchaus stringente Ordnungssystem anzutreffen.

Zitierweise:
Matthias Grawehr: Rezension zu: Jochen Griesbach (Hrsg.) Polis und Porträt. Standbilder als Medien öffentlicher Repräsentation im hellenistischen Osten. Studien zur antiken Stadt 13. Wiesbaden 2014. Zuerst erschienen in: Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 98, 2015, S. 278-279.

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Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 98, 2015, S. 278-279.

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